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Angst vor Entlassung, Urlaub für Lehrgang

Hannover, 18.12.1996 (sbü). Wenn die Sirenen losheulen und die
Männer der Freiwilligen Feuerwehren an ihren Arbeitsplätzen sofort Hammer oder
Kugelschreiber fallen lassen, runzelt so mancher Firmenchef die Stirn. Freistellungen für
Einsätze oder gar Sonderurlaub für einen Lehrgang sind bei vielen Arbeitgebern keine
Selbstverständlichkeit mehr. Einem Firmeninhaber in Langenhagen sind die Großeinsätze
der vergangenen Wochen zu viel geworden: Er hat dem ehrenamtlichen Brandschützer mit dem
Rauswurf gedroht, wenn er noch einmal während seiner Arbeitszeit zu einem Einsatz
ausrückt.

Langenhagens Stadtbrandmeister Uwe Hollburg kennt zwar Roß und Reiter, will sie aber
nicht nennen. Er möchte hinter den Kulissen vermitteln. „Das Recht ist zwar auf der
Seite des Feuerwehrmannes, aber der Chef findet sonst einen anderen Grund für den
Rauswurf“, begründet Hollburg seine Zurückhaltung. Nach dem niedersächsischen
Brandschutzgesetz sind Arbeitgeber verpflichtet, Brandschützer für Notfälle
freizustellen. Allein im Landkreis gibt es 10 175 Feuerwehrmänner. Für die Zeit des
Einsatzes bekommen Firmen von der Kommune eine Entschädigung.

Hollburg und sein Lehrter Kollege Erich Weber halten die Drohungen in Langenhagen nicht
für einen Einzelfall.

„Es soll auch Fälle gegeben haben, in denen es hieß: Entweder Arbeit oder
Feuerwehr“, berichtet Weber. Auch er will nicht konkreter werden. Der Springer
Stadtbrandmeister Rudolf Bennecke weiß zu berichten, daß ein in der Verwaltung tätiger
Feuerwehrmann den Mobbing-Attacken seiner Kollegen ausgesetzt sei, da diese während der
Einsätze dessen Arbeit erledigen müßten. Viele Feuerwehrmänner wehrten sich nicht,
sondern schränkten ihr ehrenamtliches Engagement ein, meint Kreisbrandmeister Bernd
Keitel. „Unsere Kameraden haben Angst, bei Entlassungen in. den Firmen als nächstes
an der Reihe zu sein“, sagte Hermann Balke, Stadtbrandmeister in Garbsen.

Bei Sonderurlaub für einwöchige Lehrgänge an der Feuerwehrschule in Celle hört in
den meisten Firmen offenbar das Verständnis endgültig auf. „Viele nehmen für den
Lehrgang Urlaub“, berichtet der Wunstorfer Stadtbrandmeister Heinrich Gehle. Seine
Kollegen Werner Behnsen (Barsinghausen) und Detlef Schünemann (Neustadt) haben ähnliches
beobachtet.

Früher war es für viele Firmen auch Ehrensache, sich die ausgefallene Arbeitsleistung
von der Stadt nicht ersetzen zu lassen. Für Axel Bertram, Geschäftsführer des Sehnder
Bauunternehmens Kruse, beispielsweise ist das auch heute noch so. Genau wie der Laatzener
Heizungsmonteur Ulrich Häpke schreibt er keine Rechnungen – beide sind jedoch selbst
Mitglieder der Feuerwehr.